
Risikobewusstes Freeriden
Kann ich diese Line heute fahren oder ist es vielleicht doch zu gefährlich? Woher weiß ich überhaupt, wo und ob Lawinengefahr besteht oder nicht?
16.08.2023
Seit der Besiedelung des alpinen Lebensraums ist der Mensch der Gefahr von Lawinenabgängen ausgesetzt. Lawinen sind von der Schwerkraft angetriebene Massenbewegungen, die als Folge meteorologischer Bedingungen eine potenzielle Gefahr darstellen. Sie gehören zu den wenigen Risiken, die prognostiziert werden können. Die gefährlichsten Lawinen beginnen als trockene Schneebrettlawinen.
Als Lawinen werden Schneemassen bezeichnet, die sich einen Hang hinunterbewegen und in allen Bergregionen der Welt vorkommen. Sie gehören wie beispielsweise auch Hochwasser, Muren und Hangrutschungen zu den gravitativen (der Schwerkraft folgenden) Massenbewegungen.
Jede Lawine kann in drei Bereiche unterteilt werden:
Je nach Art und Bewegungsmuster können Lawinen unterschiedliche Geschwindigkeiten erreichen, die von 70 km/h bis zu 300 km/h reichen. Die typische „Skifahrerlawinen“, also jene Lawinen, welche von Wintersportler*innen ausgelöst wird, sind rund 150 m lang, wobei die Anrissfläche etwa 50 m mal 80 m misst und die mittlere Anrissmächtigkeit rund 50 cm beträgt. Dies entspricht einem Anrissvolumen – damit ist das Volumen des Schnees gemeint, der sich im Anrissgebiet in Bewegung setzt – von etwa 2.000 m³ oder ca. 400 Tonnen. Es werden abhängig vom Schadenspotenzial, der Reichweite der Lawine und des Ausmaßes fünf Lawinengrößen unterschieden:
Es gibt mehrere Faktoren, die zum Auslösen einer Lawine beitragen. Zum einen sind das die natürlichen Gegebenheiten eines Gebietes: Die Geländeform, die geologischen Gegebenheiten, die klimatischen Bedingungen und der Pflanzenbewuchs gehören dabei zu jenen Faktoren, die über einen langen Zeitraum konstant sind. Variable Parameter hingegen sind abhängig von der Tages- und Jahreszeit und verändern sich mitunter sehr rasch. Zu ihnen zählen etwa meteorologische Bedingungen, der Wasserhaushalt oder die Strahlungsintensität.
Die Schneedecke ist solchen variablen Prozessen sehr stark ausgesetzt. Wind, Niederschlag und Temperaturänderungen können zu einer Schwächung der Schneedecke führen. Eine instabile Schneedecke und das „passende“ Gelände führen dann zu einem Lawinenabgang.
Schneebrettlawine, Lockerschneelawine, Gleitschneelawine können jeweils entweder nass oder trocken sein. Diese Unterscheidung bezieht sich auf den Wassergehalt der Schneedecke, die als Lawine abrutscht. Beinhaltet diese viel Wasser (man kennt es als den guten Schneeballschlacht- oder Schneemannschnee) spricht man von einer Nassschneelawine. Ist die Schneedecke hingegen sehr kalt und pulvrig und beinhaltet kein flüssiges Wasser, handelt es sich um eine Trockenschneelawine. Die Lage der Gleitfläche beschreibt, ob die Lawine am Boden abgerutscht ist (Bodenlawine) oder ein Bruch innerhalb der Schneedecke stattgefunden hat (Oberlawine).
Die Schneebrettlawine ist jene Lawinenart, die am häufigsten vorkommt. Sie ist darüber hinaus auch jene Lawine mit dem größten Schadenspotenzial. Schneebrettlawinen haben die größte Zerstörungskraft und fordern die meisten Todesopfer. Sie zeichnen sich durch einen linienförmigen Anriss aus und können nass oder trocken sein. Die Grundvoraussetzungen für eine Schneebrettlawine sind:
Bei einer Hangneigung ab 50 Grad kann davon ausgegangen werden, dass sich aufgrund der Selbstentladung keine Schneebrettlawinen mehr bilden können.
Schwachschichten sind Schneeschichten innerhalb der Schneedecke, aufgrund derer es zu einem Lawinenabgang kommt. Diese Schichten haben eine besonders poröse Struktur und sind dadurch instabil. Schwachschichten haben große Hohlräume und wenig Bindung (Kontaktpunkte) zwischen den einzelnen Schneekristallen. Die Schneekristalle in solchen Schwachschichten sind meist groß. Eine Schwachschicht ist entweder durch Schneemetamorphose innerhalb der Schneedecke entstanden oder hat sich ursprünglich an der Oberfläche befunden und wurde eingeschneit.
Die Schneeoberfläche verändert sich durch meteorologische Einflüsse wie Strahlung, Wind und Niederschlag ständig und bildet oft die zukünftige Schwachschicht. Ein wichtiger Faktor ist dabei auch der Energieaustausch mit der Atmosphäre: Ob die Schneedecke Energie abstrahlt oder Energie aufnimmt, hängt von den atmosphärischen Bedingungen ab und ist ausschlaggebend für die Beschaffenheit vor allem der Schneeoberfläche. Wenn die Luft wärmer ist als die Schneedecke, wird der Schneedecke Oberflächenwärme zugeführt. Ist die Oberfläche wärmer als die Luft, geht Wärme aus der Schneedecke verloren (die Schneedecke strahlt aus). Oberflächenreif beispielsweise entsteht, wenn eine kalte Schneeoberfläche von feuchterer und wärmerer Luft umgeben ist, es findet Deposition statt.
Auf den obigen Bildern erkennt man eine Schwachschicht aus Oberflächenreif, die eingeschneit wurde. Auf der linken Bildseite (lila Pfeil) hat bereits ein Bruch stattgefunden, während die Schwachschicht auf der rechten Seite noch intakt ist, weil ein Riss quer zum Hang stattgefunden hat. In der zweiten Abbildung ist die gleiche Schwachschicht auf einer CT-Aufnahme zu sehen. Dieses Foto zeigte erstmals jene Prozesse, die zum Abgang einer Schneebrettlawine führen:
Dieses Schneebrett geht ab einer Hangneigung von 30 Grad als Lawine ab.
Ist eine ausgeprägte Schwachschicht vorhanden, kann durch eine Zusatzlast, z. B. ein*e Skifahrer*in, die Struktur der Schwachschicht in kleinen Bereichen zerstört werden und den Initialbruch auslösen. Dieser Schädigungsprozess schreitet voran, indem lokal immer mehr Verbindungen der Schneekristalle brechen. Da die Kräfte am Rand des geschädigten Bereiches (des Risses) am stärksten sind, breitet sich der Bruch immer weiter aus und ab einer bestimmten Größe gibt es kein Halten mehr. Der Riss setzt sich über weite Teile der Schneeschicht fort – häufig begleitet durch ein lautes „Wumm“-Geräusch. Bei der Bruchfortpflanzung bilden die gebrochenen Kristalle in der Schwachschicht eine kleine Senke aus, der darüberliegende Schnee hängt förmlich durch, verbiegt sich und senkt sich ab. Dabei wird Energie freigesetzt, die wiederum den Bruchvorgang an den Rändern des geschädigten Bereiches weiter antreibt. Nach einem großflächigen Bruch der Schwachschicht ist es von der Reibung abhängig, wann und ob es zum Lawinenabgang kommt oder nicht. Je steiler der Hang ist, umso leichter wird die Reibung überwunden.
Lockerschneelawinen entstehen, wenn die oberflächennahe Schneeschicht kaum oder gar keine Bindung in sich und zu der darunterliegenden Schicht aufweist. Sie können ebenfalls nass oder trocken sein – wobei nasse Lockerschneelawinen deutlich größer sein können als trockene. Sie reißen punktförmig an, breiten sich in der Sturzbahn kegelförmig aus und reißen Schnee aus tieferen Schichten mit. Sie lösen sich vorwiegend im Gelände mit über 40 Grad Hangneigung.
Auslöser dafür sind meist kurz vorher gefallener Neuschnee, Erwärmung durch Sonnenstrahlung oder Regen. Lockerschneelawinen lösen sich meistens spontan, stellen aber für den Menschen und die Infrastruktur eine eher geringe Gefahr dar. Für Skifahrer*innen besteht bei Lockerschneelawinen insbesondere die Gefahr eines Absturzes, wenn sie von dieser mitgerissen werden. Eine Verschüttung ist aufgrund zu geringer Schneemengen eher unwahrscheinlich.
Gleitschneelawinen sind Bodenlawinen, d. h. die gesamte Schneedecke bis zum Boden rutscht ab. Sie haben einen linienförmigen Anriss. Die ideale Gleitfläche sind glatte Untergründe wie abgelegtes Gras oder Felsplatten, auf denen das gesamte darüberliegende Schneepaket abrutscht. Gleitschneelawinen entstehen durch einen Reibungsverlust zwischen Boden und Schnee. Der Reibungsverlust entsteht durch das Vorhandensein von Wasser an der Grenzfläche vom Schnee zum Boden. Die gesamte Schneedecke beginnt am Boden abzugleiten und folglich öffnen sich Gleitschneerisse – sogenannte Fischmäuler – in der Schneedecke, die den Boden freigeben. Wann genau es zu diesem Gleitprozess kommt und mit welcher Geschwindigkeit dieser Prozess vonstattengeht, kann nicht prognostiziert werden. Auch können Gleitschneelawinen nicht künstlich und somit kontrolliert ausgelöst werden. Das heißt, sie gehen immer spontan ab.
Es gibt kalte und warme Gleitschneelawinen, abhängig davon, wie das Wasser in die unterste Schneeschicht gelangt. Kalte Gleitschneelawinen stehen in keinem Zusammenhang mit der Lufttemperatur. Ausschlaggebend sind vielmehr der Wassergehalt im Boden bzw. die Bodentemperatur. Das Wasser aus dem Boden steigt durch Kapillarkräfte in die unterste Schneeschicht auf, was zu Reibungsverlust zum Boden führt. Warme Gleitschneelawinen hingegen treten infolge von Regenereignissen oder Erwärmung auf. Das Wasser dringt durch die Schneedecke bis zum Boden ein. Bei beiden Ereignissen korreliert die Geschwindigkeit des Abgleitens mit der Wassermenge an der Grenzfläche von Boden zu Schnee.
Ein essenzieller Teil jeder Lawinenprognose ist der Hinweis auf das bzw. die gerade vorherrschenden Lawinenprobleme. Anhand dieser fünf Problemkategorien werden typische Schnee-Situationen im Gelände beschrieben:
Zu erwartende Lawinenarten: trockene Schneebrettlawinen, trockene Lockerschneelawinen
Zu erwartende Lawinenarten: trockene Schneebrettlawinen
Zu erwartende Lawinenarten: trockene Schneebrettlawinen
Zu erwartende Lawinenarten: nasse Schneebrettlawinen; nasse Lockerschneelawinen
Zu erwartende Lawinenarten: warme oder kalte Gleitschneelawinen
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