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Richtiges Verhalten bei einem Hubschraubereinsatz

26.06.2023

Hubschrauber sind im Alpenraum oft das Rettungsmittel der Wahl – wenn sie verfügbar sind und die äußeren Bedingungen (Wetterverhältnisse, Tageslicht etc.) ihren Einsatz erlauben. Im Folgenden ein allgemeiner Überblick über das Verhalten bei einem Hubschraubereinsatz, wobei das wichtigste Credo lautet: „Sei sichtbar und erreichbar!“

In diesem Beitrag geht es um:

01

Alarmierung

Gerät man in eine alpine Notsituation oder hat sich ein Gruppenmitglied verletzt, setzt man einen Notruf ab. Ob ein Hubschrauber geschickt wird oder ein anderes Rettungsmittel (Schneemobil, Rettungsauto, terrestrische Rettung), entscheidet die Leitstelle. Eine realistische Schilderung der Notsituation ist dafür Voraussetzung. 

Der genaue Unfallort ist dabei für den Call-Taker der Leitstelle besonders wichtig, wird ein Hubschrauber benötigt, ist diese Information aber noch relevanter. „Aus der Luft“ stellen sich das Gelände und die Situation anders dar und der Standort muss möglichst genau angegeben werden können. In diesem Zusammenhang absolut empfehlenswert sind die verschiedenen nationalen bzw. regionalen Notruf-Apps, die nach Aktivierung des Notruf-Buttons die genauen Positionsdaten (Koordinaten und Höhe) an die Leitstelle übermitteln. Verfügt man über keine solche App, sollte man seinen Standort möglichst gut beschreiben (z. B.: Skigebiet XX, Skiroute YY, kurz unterhalb der ZZ-Hütte usw.) sowie die Höhe angeben können. Auf jedem Smartphone gibt es bereits installierte Apps (Kompass, o.ä.), welche die Höhe – und auch meist den Standort via Koordinaten – anzeigen, sowie zahlreiche andere, welche dieselben Informationen vermitteln (z. B. Tourenplanungs-, Karten-, Lawinen-Apps usw.).

Der Call-Taker gibt dem*der Anrufer*in auch Hinweise zum weiteren Verhalten. Vor allem wird die Leitstelle ihn*sie instruieren, weiterhin telefonisch erreichbar zu bleiben! Nur so kann die Hubschrauber-Crew bzw. die Leitstelle bei Unklarheiten, z. B. zum Unfallort oder bei Planänderungen (Ankunft dauert länger, aufgrund der Wettersituation ist ein Flug nicht möglich o.ä.), den*die Anrufer*in informieren.

Das bedeutet, dass das Mobiltelefon der anrufenden Person weiterhin eingeschaltet bleiben muss, sie auch hören muss, wenn ein Anruf hereinkommt, und die Leitung für einen solchen Rückruf freigehalten werden muss. Weil der Handyakku aber im Winter durch tiefe Temperaturen rasch an Leistung verliert und mit Helm und bei Wind das Klingeln leicht überhört werden kann, empfiehlt es sich, das Mobiltelefon mit einem kleinen Headset zu verwenden (bzw. es mit den Kopfhörern/Mikrofon des Helms zu verbinden). So kann das Telefon „warm“ und geschützt in der Jackentasche verstaut werden, man versäumt keinen Anruf und hat die Hände frei, um den Erste-Hilfe-Anweisungen des Call-Takers Folge zu leisten.

EXKURS: Kein Rückruf in Fremdnetz

Hinweis: Befindet man sich in einer Gegend, wo das Mobiltelefon kein eigenes, sondern nur eine Fremdnetz zur Verfügung hat, zeigt das Display die Meldung „Nur Notruf möglich“ o. ä. an. In solchen Fällen wird der Notruf automatisch über die 112 abgesetzt, aber die anrufende Person kann nicht zurückgerufen werden! Um Updates zu geben oder nachzufragen, muss daher erneut 112 gewählt werden.

Ein Smartphone-Headset (kleiner Kopfhörer & Mikrofon) ist nicht nur zum Musikhören angenehm, sondern erleichtert einen Notruf, weil man auch bei Wind besser hören und sprechen kann. Zudem kann das Telefon so in einer Tasche gewärmt und geschützt werden, was die Akkuleistung schützt. © snow institute | argonaut.pro
Ein Smartphone-Headset (kleiner Kopfhörer & Mikrofon) ist nicht nur zum Musikhören angenehm, sondern erleichtert einen Notruf, weil man auch bei Wind besser hören und sprechen kann. Zudem kann das Telefon so in einer Tasche gewärmt und geschützt werden, was die Akkuleistung schützt. © snow institute | argonaut.pro
02

Vorbereitung

Ist der Notruf abgesetzt, nutzt man die Zeit und bereitet sich auf das Eintreffen des Hubschraubers vor.

Die verletzte Person wird bestmöglich gelagert bzw. weiterbehandelt. Alle Beteiligten/Anwesenden bereiten sich auf die Landung des Hubschraubers vor, wobei eine Person das Kommando übernimmt (im Pistenbereich wird das meist ein*e professionelle*r Pistenretter*in sein) und veranlasst, dass …

  • … der*die Anrufer*in weiterhin am Telefon erreichbar bleibt.
  • … sich alle unbeteiligten Personen vom Unfallort entfernen.
  • … eine Person den Hubschrauber einweist (mit Wind im Rücken).
  • … die Piste/das Gelände entsprechend abgesperrt wird, damit keine Unbeteiligten zum Unfallort gelangen.
  • … die verletzte Person vom Downwash bei der Landung geschützt ist, indem der*die Ersthelfer*in ihren Kopf abschirmt, und ihre Ausrüstung gesichert und zum Abtransport mit dem Hubschrauber bereit ist (Ski, Rucksack etc. werden vom Hubschrauber mitgenommen).
  • … Einweiser*innen/Ersthelfer*innen auf den Downwash vorbereitet sind (Skibrille aufsetzen, Jacke zumachen).
  • … keine losen Gegenstände (Ski, Rucksack, Biwaksack, Rettungsdecke etc.) herumliegen, sondern die ganze Ausrüstung, die nicht am Körper ist, abseits bei den unbeteiligten Gruppenmitgliedern deponiert und von diesen gesichert (daraufknien und festhalten) werden.
  • … diese Gruppenmitglieder sich ebenfalls auf den Downwash vorbereiten, d. h. an Ort und Stelle bleiben und nicht mit dem Handy zum Mitfilmen herumlaufen.
  • … Lawinen-Airbag-Rucksäcke von allen, die in die Nähe des Hubschraubers kommen, deaktiviert/gesichert sind, da eine Fehlauslösung im oder neben dem Hubschrauber gefährlich sein kann.

Ganz besonders wichtig ist, dass bei der bevorstehenden Landung keine losen Gegenstände herumliegen, weil diese bei der Landung des Hubschraubers aufgehoben werden könnten und damit eine Gefahr darstellen, und dass alle Personen beim Anflug des Hubschraubers an ihrem Standort bleiben. Der*die Pilot*in wird versuchen, den Notarzt*die Notärztin möglichst nahe an der verunfallten Person abzusetzen, d. h. unter Umständen direkt (1 m) daneben zu landen. Also auch wenn es extrem laut und windig wird, unbedingt Ruhe bewahren. Keinesfalls sollte man in Panik geraten und weglaufen, da man im Worst-Case-Szenario mit dem Rotor in Berührung kommen kann.

Hört man den Hubschrauber anfliegen, unbedingt auf sich aufmerksam machen! Aus der Luftperspektive sehen wir sehr klein aus und sind oft nur schwierig zu erkennen. Der Hubschrauber-Crew hilft es, wenn man

  • im Wald versucht, auf eine Lichtung zu gelangen, bzw. sich abseits von Baumgruppen etc. positioniert.
  • gut sichtbare Kleidung trägt (orange, rot).
  • mit dem Y-Zeichen signalisiert, dass man Hilfe benötigt.
  • zusätzlich mit Jacke, Biwaksack oder ähnlichen Gegenständen auf sich aufmerksam macht, bei Dämmerung eventuell die Stirnlampe verwenden.
  • ein H in den Neuschnee tritt, das weithin sichtbar ist, sofern man über genügend Ressourcen dafür verfügt.

Wurde man von der Hubschrauber-Crew entdeckt, wird sich der*die Pilot*in die Situation von oben ansehen und entscheiden, ob er*sie zur Landung ansetzt oder aber erneut abdreht und einen Zwischenlandeplatz sucht, um dort die Medical-Crew ans Tau zu hängen und diese nach einigen Minuten über das Tau am Unfallort abzusetzen. Also keine Sorge, wenn der Hubschrauber kurzzeitig wieder abdreht.

EXKURS: No-Zeichen

Sucht eine Crew den „richtigen“ Unfallort in einem Gelände, wo mehrere Personen/Gruppen unterwegs sind, ist es extrem hilfreich, wenn alle, die keine Hilfe benötigen, das mit dem No-Zeichen signalisieren. Also bitte nicht winken oder sich passiv verhalten, sondern mit den Armen ein deutliches N signalisieren.

03

Einweisen

Der*die Pilot*in kann nur „auf Sicht“ fliegen und deshalb ist er*sie im winterlichen Gelände auf eine*n Einweiser*in angewiesen. Diese Person dient bei diffuser Sicht, Schneefall oder bei dem durch den Downwash aufgewirbelten Schnee bei der Landung als optischer Bezugspunkt zur Umgebung. Herrscht Wind, positioniert sich die einweisende Person so, dass sie mit dem Rücken zum Wind steht und der Hubschrauber gegen die Windrichtung landen kann.

Diese einweisende Person ist also ein wichtiger Referenzpunkt und darf ihre Position nicht verlassen. Kommt der Hubschrauber bei der Landung immer näher, geht der*die Einweiserin am besten an Ort und Stelle in die Knie und stützt sich gut ab, um nicht vom Downwash umgeblasen zu werden. 

Der*die Einweiser*in bleibt in dieser Position, bis jemand von der Crew Kontakt aufnimmt und weitere Anweisungen gibt.

Auch alle anderen Beteiligten bleiben an ihren Standorten.

04

Weiteres Verhalten

Im weiteren Verlauf folgt man den Anweisungen der Crew und unterstützt diese bestmöglich. 

Relevant für den Notarzt*die Notärztin können Informationen über eventuell bestehende Vorerkrankungen oder Allergien sein. Gerade bei schweren Verletzungen wäre es wichtig zu wissen, ob z. B. blutverdünnende Medikamente eingenommen werden. Egal ob mit Gleichaltrigen oder den Eltern – beim gemeinsamen Freeriden oder auf einer Skitour sollten alle Gruppenmitglieder über entsprechende Vorgeschichten Bescheid wissen. Ansonsten sind die Telefonnummer eines Erziehungsberechtigten oder Angehörigen der verunfallten Person hilfreich, damit die Rettungskräfte dort nachfragen können.

Bei verunfallten Kindern wird ein Elternteil oder eine andere Bezugsperson in die Versorgung miteinbezogen und wenn möglich auch ins Krankenhaus mitfliegen.

Nicht nur mit Informationen zur verletzten Person kann die Crew unterstützt werden, je nach Situation kann auch tatkräftige Hilfe gefragt sein:

  • bei der Lagerung auf die Vakuummatratze und beim Einpacken der verletzten Person in den Bergesack,
  • beim Transport des Bergesacks in den Hubschrauber,
  • beim Reanimieren bzw. beim Fortführen der Herzruckmassage, während der Arzt*die Ärztin beatmet und die Crew das Monitoring bzw. den Abtransport vorbereitet,
  • um ein Abrutschen der verletzten Person/der Notfallausrüstung im steilen Tiefschnee zu verhindern.

Die Ausrüstung der verletzten Person (Ski, Stöcke, Rucksack) wird meist vom Hubschrauber mitgenommen. Vor dem Abflug gilt es, auch nichts „Organisatorisches“ zu vergessen (Patient*in hat Auto-/Zimmer-/Schließfach-Schlüssel usw.).

Bei Notsituationen im freien Gelände, am späteren Nachmittag, wenn ein für die Gruppe traumatisches Ereignis passiert ist, wird den „unverletzten“ Gruppenmitgliedern eventuell angeboten werden, sie ebenfalls ausfliegen zu lassen, um sich so die Abfahrt zu ersparen (und zu verhindern, dass diese unter Umständen ebenfalls in eine Notsituation geraten). Solche Angebote sollte man sich überlegen und im Zweifelsfall annehmen. Ein solches Ausfliegen geschieht meist nicht mit einem Notarzthubschrauber, sondern mit einer anderen Maschine (in Österreich oft Polizeihubschrauber).

KOSTEN: Wer auf der Piste und abseits im freien Gelände unterwegs ist, sollte über eine entsprechende Bergekosten-Versicherung verfügen, welche die Kosten für einen Hubschraubereinsatz übernimmt. Die Jugendlichen selbst, Erziehungsberechtigte, Kursleiter, Skiführer etc. sollten vorab überprüfen, ob jedes Gruppenmitglied so einen Versicherungsschutz hat, damit in einer Notsituation Entscheidungen nicht aufgrund vermeintlicher Kosten verzögert werden. Viele Saisonkarten beinhalten solche Versicherungen, ebenso wie Mitgliedschaften in alpinen Vereinen, Unfallversicherungen etc.

Ablauf einer Helikopterbergung

nach einem Sturz im freien Gelände bei einer Variantenabfahrt. Ein Freerider stürzte bei der letzten Abfahrt des Tages in ein abgelegenes Tal. Die Bindungen öffneten sich nicht, er*sie klagte über Schmerzen in beiden Kniegelenken und befürchtete aufgrund von Vorverletzungen den Riss mehrerer Bänder (was im Krankenhaus bestätigt wurde). Aufgrund der fortgeschrittenen Tageszeit und der langen Abfahrt ins Tal, inkl. einer ca. 8 km langen, ruppigen, hart gefrorenen Forststraße, sowie dem letzten verlässlichen Punkt einer Mobilfunkverbindung, entschloss sich die Gruppe, einen Notruf abzusetzen. Die Leitstelle schickte einen Rettunsghubschrauber und gab an, dass dieser in ca. 15 Minuten am Unfallort eintreffen wird.

05

Fazit

Jeder kann einmal zur falschen Zeit am falschen Ort sein, einen Fehler machen oder einfach Pech haben. Egal ob Orientierungsproblem, Verletzung oder Lawinenabgang: Es gilt, schnellstmöglich professionelle Rettung an den Notfallort zu bekommen, Hubschrauber sind dabei heute das Mittel der Wahl.

Bei einem Hubschraubereinsatz gilt es, telefonisch erreichbar zu bleiben, auf sich aufmerksam zu machen und die Heli-Crew bei der Landung und bei ihrer Arbeit bestmöglich zu unterstützen.

Ein gut organisierter und „aufgeräumter“ Notfallort erleichtert den Einsatz und ermöglicht einen schnellen und effizienten Ablauf. Man sollte jede Möglichkeit nutzen, um sich von einer Heli-Crew mehr über ihre Arbeit erzählen und zeigen zu lassen. 

TAKE AWAY: Die wichtigste Botschaft bei einem Hubschraubereinsatz lautet: „Sei sichtbar und erreichbar!“

Titelbild: © snow institute | argonaut.pro

Lehrmaterialien zum Thema: